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Prothesen aus dem 3D-Drucker: Comic-Superhelden dienen als Inspiration für bionische Hände

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Mit freundlicher Genehmigung von Jen Owen - enablingthefuture.org
Prothesen aus dem 3D-Drucker: Comic-Superhelden dienen als Inspiration für bionische Hände

Der 3D-Druck setzt derzeit in zahlreichen Branchen neue Maßstäbe. Zu den wichtigsten Errungenschaften der neuen Technologie zählt die kostengünstige Herstellung von prothetischen Händen und Gliedmaßen. Dadurch verändert der 3D-Druck das Leben zahlreicher Menschen, für die hochfunktionale Prothesen bislang ein unerschwinglicher Luxus waren.

Weltweit arbeiten verschiedene Organisationen daran, 3D-gedruckte Prothesen allgemein verfügbar zu machen. So bringt die Enable Community Foundation ehrenamtliche Helfer aus der e-NABLE Community mit Empfängern und Designern zusammen, um Kindern mit fehlgebildeten Gliedmaßen kostenlos 3D-gedruckte Handprothesen zur Verfügung zu stellen, die nicht nur eine hohe Funktionalität aufweisen, sondern den Kindern auch von ihrer Formgestaltung und Farbgebung her gefallen. The Luke Hand ist eine neue gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, die in Autodesk Fusion 360 verfügbaren kollaborativen CAD-Funktionen zur Herstellung leistungsstarker bionischer Hände mit offenem Quellcode zu nutzen.

Das japanische Unternehmen exiii nutzt ebenfalls Open-Source-Technologie zur Herstellung von myoelektrischen Händen. In Großbritannien stellt Open Bionics kostengünstige 3D-gedruckte Hände her, deren Funktionalität teilweise an Prothesen im höheren Preissegment heranreicht. Für Kinder bietet das Unternehmen sogar Handprothesen an, die mit Motiven aus beliebten Film- und Comic-Reihen wie „Die Eiskönigin“, „Krieg der Sterne“ und „Iron Man“ verziert sind.

Courtesy Open Bionics

Mit freundlicher Genehmigung von Open Bionics

Die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Helfern einerseits und Kindern andererseits stellt e-NABLE vor besondere Herausforderungen. „Bei der Arbeit mit Kindern stehen wir vor allem vor dem Problem, dass sie ständig wachsen“, so Andreas Bastian, der als Vorstandsmitglied der Enable Community Foundation und Research Scientist für 3D-Druck bei Autodesk aus Erfahrung spricht. „Eine Prothese, die heute passt, ist in sechs Monaten höchstwahrscheinlich schon zu klein. Der 3D-Druck eignet sich hervorragend zur Lösung derartiger Probleme, weil er so flexibel ist und sich einfach anpassen lässt. Dadurch können die Prothesen passgenau für den jeweiligen Empfänger hergestellt werden.“

Die Stiftung bringt bedürftige Kinder mit ehrenamtlichen Helfern zusammen, die Handprothesen für sie drucken können. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, müssen jedoch gleichzeitig zwei entscheidende Probleme gelöst werden.

Image courtesy Jen Owen - enablingthefuture.org

Mit freundlicher Genehmigung von Jen Owen – enablingthefuture.org

„Im Laufe der vergangenen zwei Jahre haben wir hinsichtlich der technischen Machbarkeit und Montagefähigkeit der Entwürfe Riesenfortschritte gemacht“, erläutert Bastian. „Diese Fortschritte bezogen sich jedoch zumeist auf die Anforderungen der Hersteller. Zukünftig wollen wir verstärkt bedürfnisorientiert arbeiten und berücksichtigen, wer die Prothesen benutzt, in welchem geografischen und kulturellen Kontext die Benutzer leben und an welcher Art von Behinderung sie leiden.“

Mit der Verwendung popkultureller Motive auf Handprothesen für Kinder erregte e-NABLE sehr viel Aufmerksamkeit in sozialen Medien und Online-Foren.

„Das war die eigentliche Überraschung“, bekräftigt Jon Schull, der Gründer von e-NABLE und Präsident und Mitgründer der Enable Community Foundation. Nebenbei arbeitet er als Forscher am Rochester Institute of Technology. „Wir hatten da diesen Vierjährigen, der mit einem breiten Grinsen sagte: ‚Ich hab jetzt eine Iron Man-Hand‘ und stolz seine Prothese mit ‚Iron Man‘-Motiv vorzeigte, und das hat sich wie ein Lauffeuer im Internet verbreitet.“

Seitdem entwickeln die ehrenamtlichen Community-Mitglieder Handprothesen mit verschiedenen Superhelden-Motiven und integrieren die Lieblingsfarben der Empfänger in ihre Entwürfe. In ganz ähnlicher Weise arbeitet auch The Luke Hand (der Name spielt auf Luke Skywalkers bionische Prothese in „Rückkehr der Jedi-Ritter“ an) daran, Science-fiction-Fantasien zumindest auf dem Gebiet der Bionik in die Wirklichkeit umzusetzen.

So hat eine hochfunktionale Prothese, die für Kinder sonst in vielen Fällen zu kostspielig wäre, auch Kieran, dem alle Finger an der rechten Hand fehlen, neue Bewegungsfreiheit geschenkt.

Schull findet, dass sich die Sci-fi-/Superhelden-Assoziation geradezu von selbst aufdrängt. „Das ist keine Metapher“, betont er. „Jeder Superheld hat irgendein Manko, und genau das bildet dann die Grundlage für seine übernatürlichen Kräfte. Die Kinder kapieren das sofort, und es verändert nicht nur ihre Selbstwahrnehmung total, sondern auch die Art und Weise, wie sie von anderen Kindern behandelt werden. So stolz wir auf die mechanische Funktionsfähigkeit dieser Teile sind, bin ich ehrlich gesagt mittlerweile überzeugt, dass ihr sozialer und psychologischer Nutzen mindestens genauso wichtig ist.“

Schließlich gibt es einen ganz pragmatischen Grund, junge Menschen frühzeitig an die Benutzung von Prothesen zu gewöhnen.

„Durch die Benutzung von 3D-gedruckten Prothesen im Kindesalter können sich die Nervenbahnen, Muskeln und Sehnen entwickeln, die für einen problemlose Gewöhnung an höhere Prothesen im späteren Leben erforderlich sind“, so Grace Mastalli, die Geschäftsführerin der Enable Community Foundation und ehemalige Mitarbeiterin des Justizministeriums, wo sie 1990 an der Verabschiedung des Americans with Disabilities Act mitwirkte. „Wenn Kinder amputierte Gliedmaßen nicht benutzen oder gar verstecken, führt das zu Unterentwicklung und letztlich zu Muskelschwund.“

Auch für Tetsuya Konishi, der von Panasonic zu exiii wechselte, wo er die Planungsabteilung leitet, gab der menschliche Faktor den Ausschlag: Er war dabei, als Akira Morikawa, der heute als Apostel für das Unternehmen wirbt, erstmals seine neue Hand benutzte, und in diesem Moment wurde ihm die Tragweite dieser Arbeit bewusst.

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Mit freundlicher Genehmigung von exiii

„Miterleben zu dürfen, wie er die Handprothese benutzte, die wir zu dritt entwickelt hatten, war für mich die Erfüllung meines wahren Ziels“, erzählt Konishi. „Ich sah, wie glücklich er mit der Prothese war und wie viel Freude ich daran hatte, das Lächeln auf seinem Gesicht sehen zu können. Bei Panasonic bekam ich die Reaktion der Benutzer nie zu sehen.“

Ganz im Gegensatz zu den möglichst unauffällig gestalteten Prothesen der höheren Preisklassen sind die 3D-gedruckten Versionen aller hier vorgestellten Unternehmen unverhohlen künstlich – selbst wenn sie für erwachsene Benutzer gedacht sind.

„Traditionell sind Handprothesen so konstruiert, dass sie das Fehlen der Hand kaschieren“, erläutert Konishi. „Unsere exii-Prothesen hingegen sollen den Benutzern als eine Form des Selbstausdrucks dienen. Wir wollen, dass die Benutzer unsere Prothesen als Alltagsprodukte tragen können – genauso wie eine Armbanduhr oder ein Paar Schuhe –, dass sie Spaß damit haben und sich ein spezielles Design aussuchen, das ihren persönlichen Modegeschmack trifft.“

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Mit freundlicher Genehmigung von Jen Owen – enablingthefuture.org

Derzeit drängen immer mehr Unternehmen auf diesen Markt und setzen Open-Source-Geschäftsmodelle um. Von idealen Voraussetzungen für eine effektive Zusammenarbeit kann jedoch noch längst keine Rede sein.

„Bei der Entwicklung von Hardware mit Open-Source-Technologie zu arbeiten, ist immer noch in vieler Hinsicht ein ungelöstes Problem und absolutes Neuland“, so Bastian. „Es gibt nicht allzu viele Erfolgsprojekte, an denen man sich orientieren könnte. Anders als bei der Software-Entwicklung stehen einer Zusammenarbeit bei der Konstruktion von physischen Gegenständen immer noch beträchtliche Hindernisse entgegen.“

So seien viele branchenübliche Konstruktionstools nur sehr begrenzt zur Unterstützung einer offenen Entwicklung geeignet und darüber hinaus mit hohen Kosten verbunden. Deswegen erfreuten sich Produkte wie TinkercadFusion 360, Autodesk Meshmixer und Blender, die kostenlos, quelloffen oder frei verfügbar sind, bei Neulingen ebenso wie bei gestandenen Profis wachsender Beliebtheit.

„Mich beeindruckt immer wieder, dass unsere Hobby-Tüftler, die das ehrenamtlich und in ihrer Freizeit machen, diesen Hindernissen zum Trotz einen beachtlichen Beitrag zur Innovation in unserer Branche leisten“, sagt Schull.

Dateiformate stellen ein weiteres Hindernis dar. „Die Entscheidung für das richtige Dateiformat ist sehr schwierig“, erläutert Jonathan Raines, der als Maschinenbauingenieur bei Open Bionics arbeitet. „Meist wird zur gemeinsamen Benutzung STL verwendet, ein Format, das sich super um Drucken eignet, aber überhaupt nicht zum Bearbeiten. Jeder verwendet eine andere Software, was zu ziemlich großen Problemen führt. Dann braucht man auch noch diese ganzen Unterlagen zur technischen Dokumentation. Wenn jemand am anderen Ende der Welt einen Entwurf verwenden will, muss er oder sie wissen, welche Überlegungen hinter dem fertigen Design stehen, welche Entscheidungen dabei getroffen und welche Nachteile in Kauf genommen wurden.“

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Mit freundlicher Genehmigung von Open Bionics

Trotzdem ist Raines zuversichtlich, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird.

„Wir sind gespannt, was die Open-Source-Community mit unseren neuesten Updates anfängt“, erklärt er. „Unsere erste Version wurde von digitalen Tüftlern aus den USA, Kanada und Europa entwickelt. Zur Veröffentlichung der aktualisierten Version haben wir ein Forum auf unserer Website eingerichtet, damit Entwickler ihre Builds verfügbar machen und möglicherweise an unserer Entwicklung mitwirken können.“

Fest steht: Mit der wachsenden Reife dieser Organisationen, der Weiterentwicklung ihrer Hard- und Software und der zunehmenden Erschließung des Innovationspotenzials von Open-Source-Technologie und Crowdsourcing sind bedeutende Durchbrüche auf dem Gebiet der Prothetik und Bionik zu erwarten.

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